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Laufwunder

Pilgerweg im Frankenland

19. April 2012 , Geschrieben von Holger

Das vergangene Wochenende stand im Zeichen eines ersten Härtetests. Am Samstag ein längerer Trainingslauf allein und am Sonntag war ich beim Obermain-Marathon. Ich habe in diesem Jahr Bad Staffelstein dem Kyffhäuser-Berglauf vorgezogen. Die Gegend im Fränkischen kannte ich bis jetzt nur vom Vorbeifahren auf der A 73. Also wurde es Zeit, sie einmal laufend zu erkunden.

Obwohl praktisch vor meiner Haustür, hatte ich den Obermain-Marathon als Veranstaltung noch nie richtig wahrgenommen. Ein Grund mehr zum Mitmachen. Frühzeitig war ich unterwegs und stellte erfreut fest, dass vor Ort alles perfekt organisiert war. Ohne Wartezeit bekam ich meine Startunterlagen und ein Teilnehmer-T-Shirt. Platz zum Umziehen gab es mehr als ausreichend. Umziehen, das war auch das erste Thema des Tages. Die Prognose war nicht wirklich toll, aber morgens schien sogar die Sonne. Ich hatte alle Varianten an Kleidung dabei und entschied mich dann waghalsig für ¾-Tight und langes Shirt. In der Hoffnung auf weitere Erwärmung ließ ich trotz aktuell zwei Grad die Jacke in der Tasche. Am Start staunten die Veranstalter selbst über die vielen Teilnehmer. Über Tausend nahmen den Halbmarathon in Angriff und knapp 400 sollten es auf dem Marathon werden.

Irgendwie war alles heilig rund um den Lauf. Startort war die Bischof-von-Dinkel-Straße. Der Erfinder gleichnamigen Brotes? Keine Ahnung, aber die Straßen drum herum waren ebenfalls nach Kirchenleuten benannt. Auch für die Strecke war viel Heiliges angekündigt – würde das ein Pilger-Marathon werden? Ich ließ mich überraschen und konzentrierte mich zunächst auf den Lauf. Der Streckenverlauf sah auf dem ersten Halbmarathon deftige Steigungen vor und in der zweiten Hälfte einen ruhigeren Verlauf. Mein Plan war, langsam zu laufen und möglichst keine Gehpausen auf den Anstiegen zu machen. Training eben.

Im Feld sahen das viele genauso, wie ich bemerkte. Es ging sehr geruhsam zur Sache, obwohl die ersten drei Kilometer flach verliefen. Ein Läufer wurde von seinem Golden Retriever (er hieß Pit) begleitet. Das brave Tier joggte gemütlich neben Herrchen her. Offenbar sorgt die Bewegung nicht nur beim Menschen für eine Beschleunigung des Stoffwechsels. Pit jedenfalls stoppte nach einer Viertelstunde plötzlich mitten auf der Straße, kniete ab und tat das, was Hund normalerweise in der Öffentlichkeit nicht zu tun hat. Herrchen hatte jedenfalls Gelächter und Schadenfreude auf seiner Seite. Ob er die für solche Fälle vorgesehene Tüte dabei hatte, konnte ich nicht mehr beobachten.

Bald ging es in den Wald und es begann der lange Anstieg zum ersten Heiligtum, dem Kloster Banz. Dort habe ich das erste Mal bereut, dass ich keinen Fotoapparat dabei hatte. Hoch auf dem Berg gelegen, hatte man eine prima Aussicht. Der eisige Wind lud allerdings nicht zum Verweilen ein, sondern wurde auf den nächsten Kilometern der ständige Begleiter. Es ging auf meist asphaltierten Wegen über freies Feld. Derart ungeschützt, war der Genuss stark eingeschränkt und ich machte, dass ich davon kam. Nach ca. 14 km wurde es wieder heilig – Vierzehnheilig(en) in diesem Falle. Der nächste lange, steile Anstieg war zu meistern. Schon von weitem waren die Glocken zu hören. Wahrscheinlich die Sturmglocken, dachte ich, die vor den grölenden Läuferhorden warnen sollten. Aber nein, es war Zeit für den Gottesdienst und es sah irgendwie lustig aus, wie in der Nähe der Basilika abgekämpfte Läufer mit gutgekleideten, gesangsbuchbewaffneten Kirchenbesuchern zusammentrafen. Läufers Wege sind nicht unbedingt Gottes Wege, denn die Strecke führte nicht zum Altar, sondern weiter bergan.

Hier schien endgültig der Teufel die Oberhand über den Lauf bekommen zu haben, denn nun kam zum Wind auch noch der Regen. Ein Zeichen von oben vor dem Start hätte genügt und ich hätte meine Jacke dabeigehabt. Wo war die göttliche Vorsehung, wenn man sie schon mal braucht? Wieso ließ der Kerl mich hier frieren? Zu allem Überdruss begann jetzt eine Begegnungsstrecke – ich konnte sehen, wer so alles eine halbe Stunde früher beim Duschen sein würde. Das mag ich eigentlich gar nicht. Ein Blick auf das gegenüberliegende Kilometerschild zeigte die 25 – also waren es noch vier Kilometer bis zum Staffelberg. Ich hatte mir gemerkt, dass dort die Hälfte des Laufes geschafft war. Der Staffelberg selbst hatte auch sein Heiligtum, wenn auch nur ein kleines in Form einer Kapelle. Angesichts des Wetters hielt ich mich nicht auf, aber ich registrierte ein wunderschönes Hochplateau mit 360°-Sicht. Im Sommer muss ich da nochmal in Ruhe hin, als Wanderer mit Picknickkorb oder so. Mein Picknick bestand an dieser Stelle aus Gel und Banane.

Auf dem Rückweg konnte ich nun meinerseits einen Blick über die nachfolgenden Läufer werfen. Als erstes erschien Pit mit Herrchen am steilen Anstieg. „Blöder Köter, nun zieh doch mal“ – Pit dachte angesichts dieser Tonart nicht daran und ließ Herrchen den Vortritt. Schadenfreude, Teil zwei. Es regnete nun schon eine Stunde lang und ich gab Gas, um wieder in den Wald zu kommen. Wirklich schade, denn auch der zweite Teil des Weges ist sicherlich zum Genießen geeignet. Immer wieder ging es durch hübsche Dörfchen. Das Streckenprofil war jetzt flach. Einige Kilometer lief ich zusammen mit Peter Ickert von Marathon4You. Wir schwatzten über dies und jenes und näherten uns dabei immer mehr dem Ziel. Seinen Bericht könnt ihr übrigens auf dem gleichnamigen Portal lesen, er hat auch einige Fotos eingestellt.

Am Ortsrand von Bad Staffelstein waren es nur noch drei Kilometer. Langsam kam die Vorfreude auf die Zielgerade auf. Das ist der Zeitpunkt, wo man plötzlich wieder locker und lächelnd laufen kann, auch nach vielen  Stunden in Regen und Wind. Es ging durch den Kurpark und an der Therme vorbei. Kurz nach der Mittagszeit waren viele Leute unterwegs und es gab Beifall und Anfeuerungen von allen Seiten. Das war für mich überhaupt eines der auffälligsten Merkmale dieses Laufes – die gute Stimmung überall! Dann das Stadion. Nach einer Dreiviertel-Tartanbahn-Ehrenrunde lockte das Ziel-Bier. Originellerweise konnte man das Bierglas mit Motiv des Laufes als Souvenir mitnehmen. Beim Genuss des Bierchens horchte ich in mich hinein. Der Kick des Marathons-Finishs war vorhanden und mit meiner Leistung war ich mehr als zufrieden. Zu Hause stellte ich übrigens fest, dass es mein 45. Lauf über Marathon und mehr war. Wollt ihr das Ergebnis meiner sofortigen Hochrechnungen wissen, wann ich den Fünfzigsten schaffe?        

 

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J
Klingt aber doch gut, naja nicht das Wetter.<br /> Der 50.? Beim 41.?
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H
<br /> <br /> ...spätestens... ;-)<br /> Sehen wir uns Sonntag bei "Aufs Ganze"?<br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br /> <br />