Overblog
Edit post Folge diesem Blog Administration + Create my blog
Laufwunder

Zwei Läufe - ein Erlebnis!

3. August 2011 , Geschrieben von Holger

Endlich finde ich Zeit und Ruhe, meinen Bericht zum Zermatt-Marathon zu schreiben. Richtig geraten – ich habe Urlaub und sitze gemütlich im Hotel. Auch wenn der Lauf schon gut zwei Wochen her ist, ich kann ihn mir jederzeit Minute für Minute ins Gedächtnis zurückrufen. Ich glaube sogar, mit jedem Tag Distanz wird das Erlebnis intensiver. So gesehen, ist der Zeitverzug vielleicht gar keiner.


Vorgeplänkel

Wir sprechen vom Zermatt-Ultra. Wer die Gegend noch nicht kennt, kann die Strecke hier nachvollziehen. Der erste Teil verläuft von St. Niklaus über 21 Kilometer nach Zermatt. Nervosität vor dem Start? Keine! Ich wusste ja (noch) nicht, was ich tat und angekommen bin ich bis jetzt immer. Zeitvorstellung? Quatsch! Lauf genießen und im Limit ankommen, das schien happig genug! Ausrüstung? Obwohl es schön warm zu werden schien, steckten in meinem Laufrucksack neben Gel und Fotoapparat auch ein zweites Shirt und eine Jacke. Schaun wir mal, ob die gebraucht würden.


Der erste Lauf – ein Halbmarathon

Das liest sich irgendwie schön, oder? Ein Halbmarathon im schönen Matterhorntal! Bei feinstem Sonnenschein ging es in die Spur. Die ca. 700 Ultra-Läufer, die sich das Ziel Gornergrat vorgenommen hatten, bekamen unter dem Applaus der „normalen“ Marathonis einen Extra-Start um 08.25 Uhr. Bald heizte sich das Tal auf und es wurde schon früh eine schweißtreibende Angelegenheit. Trinken, trinken, trinken! Die Strecke führte immer wieder durch kleine Orte mit netten Leuten, die trotz früher Stunde für jeden ein freundliches Wort hatten. Am Ende des Tales grüßten ständig schneebedeckte Berge.

DSC02963.JPGEs machte einfach Spaß, so zu laufen und nur unterschwellig bekam ich mit, dass auch dieser Teil des Laufes schon mal 500 Höhenmeter Anstieg bereithielt. So richtig bewusst wurde mir das erst kurz vor Zermatt, als der Weg in einen engen, steilen Trail-Abschnitt überging. Da war höchste Vorsicht angesagt. Eilige Läufer überholten auf Teufel komm raus und ein falscher Tritt hätte das Ende des Spaßes bedeuten können. Am Verpflegungspunkt eingangs von Zermatt musste ich erst mal für Abkühlung und Auftanken sorgen. Ich registrierte doch schon einen gewissen Verschleiß. Das passte mir gar nicht, denn ab hier würde der Lauf erst richtig beginnen und ich hatte keinen Plan, wie. Doch zuerst wurde ich von den vielen Zuschauern auf der Hauptstraße von Zermatt praktisch durch den Ort getragen und war guter Dinge und hatte Spaß.


Kampfwandern am Matterhorn

So kurz könnte ich den zweiten Lauf beschreiben. Zermatt befindet sich auf ca. 1600 Meter Höhe und hinter dem Ort begann ein scheinbar endloser Anstieg hinauf zur Sunegga-Alm. In Wirklichkeit war er „nur“ sieben Kilometer lang und hielt 600 Höhenmeter bereit. An diesem Anstieg habe ich trotz aller Vorsicht heftig Alpin-Einsteiger-Lehrgeld gezahlt. Das Herz hämmerte angesichts der dünner werdenden Luft und ich spürte die Anstrengung doppelt und dreifach. STH74666.JPGDer Weg wand sich Serpentine für Serpentine nach oben und kein Ende war zu sehen. Streckenweise konnte ich nicht mal schnell gehen, sondern  nur langsam. Eine halbe Stunde habe ich dort locker mal liegengelassen, schätze ich. Lehrgeld, wie gesagt. Das wäre schon eine Gelegenheit gewesen, den Mut zu verlieren, aber das kam nicht in Frage. Wenn ich in die Gesichter der Läuferinnen und Läufer in meiner Nähe schaute, ging es mir ja noch gut. Da waren nicht wenige, die kurz ins Gebüsch abtauchten und einen Sportfreund namens Ulf riefen. Der schien hier allgemein bekannt zu sein. Ich grinste in mich hinein und meine Stimmung stieg wieder.

Irgendwann ging der Weg in eine scheinbare Ebene über und ich versuchte wieder anzutraben. Kurzzeitig meldeten alle Muskeln von Fuß bis Nacken Krampfbereitschaft. Ich kam mir vor, wie das bekannte Auto mit den Fehlern in allen Teilen. Doch ich nahm es mit Humor, schüttelte mich kurz durch und dann ging es auch gleich wieder. Da erschien auch schon die Sunegga-Alm. Einer der bestens ausgestatteten Verpflegungspunkte wartete auf mich. Hier, auf 2200 Meter Höhe, wehte ein frischer Wind und ich brauchte das zusätzliche Shirt. STH74674-Kopie-3.JPGNach Brühe, Gel und Wasser ging es locker weiter. Jetzt, nach 32 Kilometern, begann der Lauf Spaß zu machen. Ich wusste, dass ich genug Kraft und Kondition zum Zusetzen hatte. Ich konnte die Strecke und die herrliche Sicht nun echt genießen und dabei auch zügig laufen. Nur das Matterhorn zeigte sich leider nicht in seiner ganzen Größe. Irgendeine Wolke zog immer über den Gipfel. Interessant war auch die Vielfalt der Anfeuerungsrufe auf der Strecke: „Hop-hop“ kam von den Schweizern (die Doofen, wer hopst auf dem Gelände schon?), „Alez-Alez“ – aha, Franzosen waren auch unterwegs. „Good Job“ – na bitte, Amis oder Briten, es geht doch! Nur für die Anfeuerungsrufe der vielen Asiaten fehlen mir die Schriftzeichen…

STH74679.JPGDer Spaß hielt an bis zur Riffel-Alm. Hier waren 38 km geschafft und die Vorfreude auf das nahende Ziel fror schlagartig ein, als der weitere Weg sichtbar wurde. Der befand sich praktisch eine Etage über mir, als endlose Schlange entlang der Gornergrat-Bahn und ganz oben war das Ziel der Marathonis zu sehen – der Riffel-Berg auf knapp 2600 Metern Höhe! Es wurde noch kühler und neben dem heftigen Wind setzte auch Regen ein. Jetzt wusste ich, warum ich die Jacke schon ein paar Stunden mit mir rumgetragen hatte! Gut verpackt, ging es Schritt für Schritt nach oben. An dieser Stelle sei erwähnt, dass man als Ultra-gemeldeter Läufer die Option hatte, auch beim Marathonziel mit einer ganz normalen Wertung auszusteigen, wenn es hintenraus eng werden sollte. Kurz vor dem Riffelberg waren noch drei andere Läufer mit einer Ultra-Startnummer in meiner Nähe und ich freute mich schon auf das gemeinsame Aufsteigen zum Gornergrat, dem Ultra-Ziel. Leider zogen es die Freunde vor, den Lauf bei Marathon zu beenden und ich sah mich plötzlich mutterseelenallein auf dem letzten Teilstück.

Es waren ja „nur noch“ 3,5 Kilometer, allerdings mit nochmals 500 Höhenmetern Anstieg! Aus dem Regen wurde Hagel. Es war praktisch Felsklettern angesagt und ich fühlte mich wie Messner auf der Suche nach dem Yeti. Weit vor mir und weit hinter mir sah ich noch Läufer. Keine Chance, jemanden zu überholen und keine Lust, auf jemanden zu warten. Nach gut siebeneinhalb Stunden Anstrengung und in 3000 Metern Höhe war da schon viel Mechanik in der Bewegung. Aber der Berg rief unwiderruflich und das Ziel zog mich an. So ging es immer weiter nach oben. STH74683-Kopie-1.JPGFür ein standesgemäßes Zielfoto verschwand die Jacke im Rucksack und die letzten Meter wurden natürlich gerannt. Ich genoss den freundlichen Empfang der Leute im Ziel, verschwand mit Wärmefolie und Brühe erst mal im Trockenen und ließ den Emotionen freien Lauf. Das war ein Knaller! Ich stand in 3089 Meter Höhe! Der Weg hierin führte über exakt 45595 Meter und 2458 Höhenmeter! „Aber keinen Meter mehr“ – der Spruch auf dem Finisher-Shirt hatte seine Gültigkeit, zumindest für den Rest des Tages.




Abwärts mit Hindernis


Es dauerte wirklich nicht lange, dann hatte ich mich wieder eingekriegt und trat zusammen mit anderen Freunden die Rückfahrt per Gornergrat-Bahn nach Zermatt an. Eigentlich war noch eine kleine Zwischenstation am Riffelberg geplant, dort standen die Duschzelte und dort sollten sich auch die Kleidersäcke befinden. Beim Aussteigen an der dortigen Station erhielten wir den Hinweis, dass irgendein übereifriger Helfer bereits alle Kleidersäcke Richtung Zermatt geschickt hatte, und das, obwohl das Ziel zu dieser Zeit noch offen war! Also fiel das Duschen aus, zurück in den Zug und abwärts ging es. In Zermatt waren tatsächlich auch die Sachen vorhanden, nur eben keine Duschgelegenheit. Pech für die Mitfahrenden im Zug nach St. Niklaus – sie mussten eben einige müffelnde Läufer aushalten. Irgendwann hatte ich dann meine Unterkunft wieder erreicht und der Abend ging mit reichlich Essen und dem planmäßigen Auffüllen der Kohlehydrate und Mineralien zu Ende.


Danke!

Eingebettet war der Zermatt-Marathon übrigens in eine fünftägige Reise mit dem Laufladen Erfurt, die mir Familie, Freunde und Kollegen zum Geburtstag geschenkt haben. Von hier aus nochmals herzlichen Dank an alle „Sponsoren“ für dieses Wahnsinns-Erlebnis!  

Diesen Post teilen
Repost0
Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post
P
<br /> Lieber Holger,<br /> <br /> erst jetzt komme ich dazu, deinen Bericht zu lesen und die Erinnerung wird wieder wach. es war ein wunderschöner Lauf, den du ganz toll beschrieben hast!<br /> Vielen Dank dafür!<br /> <br /> Viele liebe Grüße<br /> Petra<br /> <br /> <br />
Antworten